MYTHOS: One size fits all.

Oder: „Viel hilft viel.“
Und mehr hilft noch mehr. Dem würde wohl jeder Marketer gerne zustimmen.

So kommt es, dass die Beleuchtung auf Starklichtpflanzen abgestimmt ist, die Filterpumpe selbst für Strömung in einem Riffaquarium genügen würde und der Heizstab für einen Gartenteich konzipiert zu sein scheint.

Von allem das Maximum ist für niemanden das Optimum! Mehr ist nicht immer auch besser.

Für die Wachstumsfaktoren Temperatur und Nährstoffe bestehen Optima, die weder über- noch unterschritten werden sollen. Für andere Faktoren wie Licht, O2 oder CO2 bestehen Sättigungskonzentrationen, über welchen kein zusätzlicher Nutzen mehr besteht. Für wieder andere Stoffe gilt sogar „Die Dosis macht das Gift“.

Nur wer die Kennzahlen und Produktbeschreibungen entschlüsseln kann, kann hinter die Mythen & Marken blicken und eine vernünftige Kaufentscheidung treffen.

Mythen und Werbung

Hobby-Zeitschriften, aber auch Webseiten finanzieren sich zum Teil oder zur Gänze über Werbung. Dabei wird nicht immer klar und eindeutig zwischen den bezahlten Beiträgen (Content Marketing) und fachlichen Beiträgen unterschieden. Das ist deshalb moralisch bedenklich, da nicht jeder Leser schlau platzierte Werbeeinschaltungen von Ratgebern unterscheiden kann.

In der Folge werden Werbeversprechen für bare Münze genommen, geglaubt und wie Fakten weitererzählt. Ideale Voraussetzungen für die Bildung neuer Mythen! Und die sozialen Medien unterstüzen uns dabei.

Mythen-Schleuder ‚aquarichtig‘

Trotz Social Media haben nur wenige Aquarianer Ressourcen und Kompetenzen, ihre Kritik an Mythen und Marken mit einer breiteren Leserschaft zu teilen. Ihre Arbeit spricht für sich, auch wenn sie nicht über die Vermarktungskapazitäten von Marketingabteilungen verfügen.

Auf den beiden Websites aquarichtig.de und aquarichtiger.de konnte man ein spannendes Duell zwischen den Betreibern eines Online-Shops für aquaristische Produkte und Dennis Furmanek, der die Ratgeber-Texte des Shops (Content Marketing) kritisch analysierte, mitverfolgen, das bis hin zu Klagsdrohungen wegen Geschäftsschädigung reichte. Die jüngsten archivierten Seiten datierten ins Jahr 2019. Aquarichtiger/Furmanek hat im April 2020 den letzten Kommentar über „eine aquarienkundliche Geisterfahrt“ gepostet. Seine Kommentare zu den Marketingaktivitäten von aquarichtig waren als Lehrstück für Mythenbildung durch Faktenressistenz im Marketing interessant…

UPDATE im April 2024:

Die Site von Aquarichtiger/Furmanek ist mittlerweile nicht mehr online. Die Domain des Online-Shops gehört nun einem Unternehmen, das u.a. ein Shoppingnetzwerk und Content Marketing betreibt.

Einsamen Goldfisch für einsame Gäste

gefunden auf http://derstandard.at/2000063634235/Belgisches-Hotel-vermietet-Goldfische-an-einsame-Gaeste, am 5. September 2017

Der menschliche Egoismus gepaart mit Ignoranz und/oder Dummheit kennt keine Grenzen:

„Das an der Rezeption stehende Goldfischglas samt dem Hinweis „Rent-a-Fish“ wird von Gästen nicht nur fotografiert und in sozialen Medien gepostet, sondern die insgesamt drei Fische werden tatsächlich auch ausgeliehen. 3,50 Euro pro Tag kostet die Goldfischmiete, Familien mit Kindern können einen Fisch gratis mit aufs Zimmer nehmen.“

Ja, solche „Gäste“ sind weder Aquarianer noch Biologen. Wahrscheinlich haben sie null Ahnung von dem, was sie in dem „Goldfischglas“ (per Gesetz verboten!) vor sich sehen. Und was bekommt man sonst schon in einem Hotel um 3,50 Euro…

Und ja, ein Hotel-Manager ist auch kein Aquarianer. Aber vermutlich weiß er sehr wohl darüber bescheid, was Hunde in seinem Haus dürfen. Folglich sollte er zumindest auch wissen, dass man Fische zumindest in Aquarien, GOLDfische in einem Teich halten muss, aber NIE in einer Blumenvase.

Warum lässt sich der Mythos vom Goldfisch als Kinderspielzeug, als Dekorationsgegenstand, als Insasse einer Blumenvase so schwer ausrotten? Was machen all die Aquaristik-Verbände und Tierliebhaber falsch, wenn es um Aufklärung geht?!

Bei dem verqueren Hotel handelt es sich laut Artikel um das „Charleroi Airport Hotel“ in Gosselies, südlich von Brüssel; dessen „origineller“ Manager ist David Dillen.

Einen ausführlicheren Kommentar darüber gab es von Ruth McDonald auf http://tropicalfishkeepinguk.co.uk/hotel-offers-to-rent-a-fishy-friend-for-the-night. Dieser wurde aber offensichtlich entfernt oder gesperrt.

 

Italian supercar comes with built-in aquarium.

„The Frangivento Asfane Charlotte Roadster has an interior that contains two goldfish.“ … „The aquarium’s inhabitants will be two goldfish named Nemo and Dory.“

(aus: http://www.irishnews.com/magazine/technology/2017/04/25/news/this-new-italian-supercar-comes-with-its-own-built-in-aquarium-1007311/ 25 April, 2017)

Den Bildern in diesem Artikel nach zu schließen handelt es sich bei den Fischen nicht um Goldfische, sondern wahrscheinlich um Doktorfische, also Meerwasserfische. Denn sie sind deutlich blau – was bei „Gold“fischen auszuschließen ist.

Paletten-Doktorfisch

Paracanthurus hepatus

Paracanthurus hepatus / Paletten-Doktorfisch, Regal Tang, Palette Surgeonfish, Blue Tang
(CC BY-SA 3.0, Urheber: Holger Krisp, Ulm, Germany)

„Doktorfische sind als Aquarienfische sehr anspruchsvoll. Ihre artgerechte Haltung stellt hohe Anforderungen an den Aquarianer.“
(aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Doktorfische)

Warum nun jemand auf dem Rücksitz seines „Supercar’s“ ein Aquarium spazierenfahren möchte, können nur die Designer dieser perversen Idee, Paolo Mancini und Giorgio Pirolo, beantworten: „… to give the car a “yacht-like” feel.“ – Aber wer möchte schon in seiner Yacht die Fische vom Riff herumschwimmen sehen…?!

Es bleibt nur zu hoffen, dass diese Leute von Autos mehr verstehen als von der Aquaristik oder von Fischen (sofern der Artikel nicht eine Fake-News ist, um Clicks zu generieren).