Einsamen Goldfisch für einsame Gäste

gefunden auf http://derstandard.at/2000063634235/Belgisches-Hotel-vermietet-Goldfische-an-einsame-Gaeste, am 5. September 2017

Der menschliche Egoismus gepaart mit Ignoranz und/oder Dummheit kennt keine Grenzen:

„Das an der Rezeption stehende Goldfischglas samt dem Hinweis „Rent-a-Fish“ wird von Gästen nicht nur fotografiert und in sozialen Medien gepostet, sondern die insgesamt drei Fische werden tatsächlich auch ausgeliehen. 3,50 Euro pro Tag kostet die Goldfischmiete, Familien mit Kindern können einen Fisch gratis mit aufs Zimmer nehmen.“

Ja, solche „Gäste“ sind weder Aquarianer noch Biologen. Wahrscheinlich haben sie null Ahnung von dem, was sie in dem „Goldfischglas“ (per Gesetz verboten!) vor sich sehen. Und was bekommt man sonst schon in einem Hotel um 3,50 Euro…

Und ja, ein Hotel-Manager ist auch kein Aquarianer. Aber vermutlich weiß er sehr wohl darüber bescheid, was Hunde in seinem Haus dürfen. Folglich sollte er zumindest auch wissen, dass man Fische zumindest in Aquarien, GOLDfische in einem Teich halten muss, aber NIE in einer Blumenvase.

Warum lässt sich der Mythos vom Goldfisch als Kinderspielzeug, als Dekorationsgegenstand, als Insasse einer Blumenvase so schwer ausrotten? Was machen all die Aquaristik-Verbände und Tierliebhaber falsch, wenn es um Aufklärung geht?!

Bei dem verqueren Hotel handelt es sich laut Artikel um das „Charleroi Airport Hotel“ in Gosselies, südlich von Brüssel; dessen „origineller“ Manager ist David Dillen.

Einen ausführlicheren Kommentar darüber gab es von Ruth McDonald auf http://tropicalfishkeepinguk.co.uk/hotel-offers-to-rent-a-fishy-friend-for-the-night. Dieser wurde aber offensichtlich entfernt oder gesperrt.

 

Welcher Fischtyp sind Sie?

Seit Jahrtausenden beobachten die Menschen den Himmel, und glauben umgekehrt, dass der Himmel auch uns beobachten würden.

Der Lauf der Gestirne hat etwas Kontinuierliches, Ewiges an sich. Daher war es naheliegend zu glauben, dass Tote zu den Sternen gehen, selber zu Sternen werden, wenn man an ein ewiges Leben nach dem Tod glaubte. In der heutigen Diktion kommt man in den Himmel, wo man eine Wolke zugeteilt bekommt – obwohl es noch genügend Sterne ohne Namen gibt.

Die Kenntnis des Sternenhimmels war lange Zeit nicht nur die einzige Möglichkeit der Zeitmessung, sondern auch eine Möglichkeit, sich in einer sich ständig wandelnden Natur fest zu verorten. Die frühen Menschen (bzw. deren Priester) wussten genau, wann die Äquinoktien, wann Mond- und Sonnenfinsternisse stattfanden, aber auch in welchem Zeitalter sie sich befanden. Nach dem Zeitalter des Stiers folgte (zufällig mit Beginn unserer Zeitrechnung?) das Zeitalter des Widders (bzw. des Lamms). Und in ca.160 Jahren werden wir in das Zeitalter des Wassermanns (Aquarius, der Wassrträger) eintreten. Leider ist es noch etwas zu früh, um Endzeitstimmung zu verbreiten. Daher begnügen wir uns mit dem Maya-Kalender, dessen Zeit bereits am 21. Dezember 2012 endet. Für die Zeit/Welt danach wurde kein Kalender angefertigt, was Anlass zu abenteuerlichen Spekulationen bietet.

Daraus ist aber eines klar: Seit Urzeiten wissen die Menschen über die Präzession der Erdachse bescheid. Dh: Sie haben deren Phänomene exakt beobachtet und kannten die Länge eines Durchgangs durch alle „Häuser“ (rund 26.000 Jahre), auch wenn sie sich die Ursache nicht erklären konnten. Damit konnten sie tatsächlich die Zukunft voraussagen, wenn auch nur die Zukunft der Sternenkonstellationen am Nachthimmel.

Irgendwann muss dieses Wissen auch zu den Massen vorgedrungen sein. Bis dahin war es Geheimwissen, das nur den Priestern, Schamanen und Freimaurern vorbehalten war (also jenen Gruppen, die dafür ein langes Studium in Kauf nahmen). Vielleicht vergassen auch die Hüter des alten Wissens dessen ursprüngliche Bedeutung. So begannen die Menschen, aus Sternenkonstellationen persönliche Schicksale abzuleiten. Moderne Massenmedien sind sogar in der Lage, Ihnen aus Ihrem Geburtstag Ihren Charakter weiszusagen. Dabei bedeutet „weissagen“ etwas ganz anderes als „etwas Weises sagen“.

Der Zodiak erscheint als Eselsbrücke für Schamanen-Schüler, um sich die Konstellationen besser einprägen zu können. Daran soll hier nicht gerüttelt werden.Ich wage aber die Hypothese, dass Aquarianer die Sternbilder nach ihren Lieblingsfischen (und nicht bloss eines als „Fische“ schlechthin) benannt hätten. Dann wären nicht  „Jungfrauen“ streitlustig, sondern vielleicht „Kakadu-Zwergbuntbarsche“.

Apistogramma cacatuoides

Apistogramma cacatuoides

 

Warum mehr als 1 Fisch noch kein Team ist

TEAM“ bezeichnet einen Zusammenschluss von mehreren Individuen zur Lösung einer bestimmten Aufgabe oder zur Erreichung eines bestimmten Zieles (gemäß Wikipedia). Daraus folgt zwingend, dass jedes Team-Mitglied über andere Kompetenzen verfügt und andere Aufgaben wahrzunehmen hat, da andernfalls die Aufgabenlösung oder Zielerreichung ineffizient und somit suboptimal wäre (durch Reibungsverluste, Kompetenzstreitigkeiten, Konkurrenz, Redundanz). Die Mitglieder eines Teams arbeiten zusammen, mit klarer Rollenverteilung und klarem Auftrag, aber ohne Hierarchien, und über bürokratische Grenzen hinweg, nur dem gemeinsamen Ziel verpflichtet.

Eine Ansammlung Gleicher ist eine Klasse oder Kohorte, aber kein Team!

Schwarmverhalten und Team Building

Soziologisch betrachtet lassen sich Fische nach ihrem Teamverhalten unterscheiden:
Da gibt es zum einen Schwarmfische, zum anderen paarbildende, aber auch Individualisten bis hin zu echten Einzelgängern.

Schwarmfische zeigen nur geringe Geschlechtsunterschiede. Entsprechend bilden sie keine Familien und kümmern sich nicht um den Nachwuchs. Anstatt dessen wird massenhaft in das freie Wasser oder im Pflanzendickicht abgelaicht. Sie betrachten die Eier und Larven – auch die eigenen – als Lebendfutter. Die überlebenden Jungen wachsen bereits im anonymen Schwarm auf. Sie erhalten keine Einschulung. Es genügt, wenn sie sich Schwarm-konform verhalten. Jedes Abweichen führt regelmäßig in den Tod bzw. in den Magen eines größeren Fisches.

Studien haben gezeigt, dass die optimale Schwarmintelligenz bei ca. 15 Mitgliedern erreicht wird und dann nicht mehr weiter zunimmt (z. B. wenn es um das Auffinden von Futter geht). Dies wird damit erklärt, dass jeder Fisch stets das Verhalten seiner nächsten Nachbarn im Auge hat, dabei aber nur eine bestimmte begrenzte Anzahl überblicken kann.

Daraus lässt sich ableiten, dass überbesetzte Teams keine merkliche Effizienzsteigerung erreichen können.

Umgekehrt kann beobachtet werden, dass in unterbesetzten Schwärmen nicht nur der gemeinsame Output sinkt, sondern auch die Aggression untereinander steigt. Letzteres wird damit erklärt, dass sich die Tiere persönlich kennenlernen und folglich rasch die Flausen und Macken jedes einzelnen bekannt sind. Es kommt zur Ausbildung einer Hierarchie mit Hackordnung, sobald einer (meist ein dominantes Männchen oder Pärchen) über die anderen bestimmen will, oder zumindest sich gegenüber den anderen Privilegien herausnimmt (z.B. das Recht auf den ersten Wurm oder auf das schönste Weibchen).

Wenn Hierarchie also nicht der effizienten Weitergabe von Information zwecks rascher Entscheidungsfindung dient, führt sie zu Machtkämpfen, Vergeudung von Ressourcen und Talenten; aus Führern und Geführten werden leicht Herrscher und Untergebene. Bei Cichliden kann beobachtet werden, dass unterlegene Männchen Farb- und Verhaltensmuster wie Weibchen ausbilden, um den Aggressionen des herrschenden Männchens zu entgehen. Natürlich scheiden solche Männchen auch für die Zucht aus. Sie gaukeln nur dem Führer (und dem ungeübten Züchter) einen großen Harem vor.

  • Überbesetzte Teams zerfallen in Untergruppen, die oft eher miteinander konkurrieren als kooperieren. Im besten Fall behindern sie sich gegenseitig nicht.
  • Unterbesetzte Teams tendieren zu überdimensionierten Machtstrukturen, die dem Machterhalt einzelner und der Kontrolle von Aggressionen dienen. Ihre Mitglieder kennen sich auf der persönlichen Ebene. Es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten, keine Freiräume (auch nicht für neue Ideen). Diversity (im Sinne von Abweichungen vom Norm-Verhalten) wird geahndet, da sie nicht „von oben“ gesteuert werden kann und somit das Entscheidungsmonopol infrage stellt bzw. mit Gegenmeinungen provoziert.

Schwarmfische in meinem Aquarium:

  • Hemigrammus bleheri lebt aktiv im Schwarm. Er schwimmt gerne in Formation, wenn es die Länge des Beckens zulässt.
  • Paracheirodon axelrodi profitiert nur vom Schutz, den der Schwarm bietet, hält aber stets einen Respektabstand zu seinen Artgenossen. Ein Mindestabstand wird auch verteidigt, wenn einmal ein Artgenosse zu nahe kommt.
    Paracheirodon axelrodi

 

 

 

 

 

 

 

  • Hyphessobrycon megalopterus
    Hyphessobrycon megalopterus

Einzelgänger und Narziss

Echte Einzelgänger sind unter Fischen selten. Ein Beispiel sind die Männchen von Betta splendens (Siamesischer Kampffisch). Sie können als echte „Highlander“ betrachtet werden getreu dem Motto „Es kann nur einen geben!“

Sie dominieren jedes Becken, zum einen durch ihr auffälliges Erscheinungsbild (mit zum Teil hochgezüchteten Schleierflossen und Farben), zum anderen weil sie jedes artgleiche Männchen bis zum Tod (des eigenen oder des Konkurrenten) bekämpfen. Selbst seinem Spiegelbild an der Aquariuminnenwand kann er stundenlang mit aufgespannten Flossen und abgespreizten Kiemendeckeln imponieren – das einzige, was ihn wirklich zu stimulieren scheint, wenn er nicht gerade paarungsbereit ist.

Weibchen werden nur für den einzigen Zweck der Eispende geduldet. Sobald die Eier befruchtet und im Schaumnest verwahrt sind, wird das Weibchen verjagt (oder zumindest dermaßen eingeschüchtert, dass es am Stress stirbt, wenn es keine Versteckmöglichkeiten findet).

Fische anderer Arten werden „nicht einmal ignoriert“. Wer sind die schon! Tatsache ist jedoch, dass die meisten anderen Aquariumsbewohner schneller und intelligenter, aber wesentlich weniger agggressiv sind. Bei der Jagd um Futter zieht er regelmäßig den kürzeren, obwohl er das größte Maul von allen hat.

Der einzige, den er – zwangsläufig – über sich toleriert, ist der Aquarianer, der „Gott der Fischfutterdose“. Diesem wird Ehre bezeugt, indem er bei Erscheinen freudig begrüßt wird, sei es auch nur aus egoistischen, selbstgefälligen Motiven wie Hoffnung auf Futter.

Er bleibt ein Macho und Opportunist, der den anderen Größe vorgaukelt, wo es nur große Flossen und ein großes Maul in einem flachen Kopf gibt. Er schwimmt am liebsten mit der Strömung, auch wenn diese ihn nur im Kreis (der Umwälzpumpe) führt.

Eine evolutionäre Innovation lässt ihn zumindest in einem Punkt gottähnlich (siehe Gott der Fischfutterdose) sein: Selbst in kleinsten Behältern, wo der Sauerstoffgehalt des Wassers rasch verbraucht ist, kann er noch überleben, da er durch sein zusätzliches Atmungsorgan („Labyrinth“ genannt) atmosphärischen Sauerstoff atmen kann. Somit ist er eine Augenweide in jedem tropischen Aquarium (bei einer Mindesttemperatur von 25 °C), relativ anspruchslos, ein Narziss, der sich selbst genügt, der allerdings genau deshalb auch in großen Becken keinen Rivalen duldet.