The Making of Mythen & Marketing in der Aquaristik

Wenn ich ein Buch suche, das es noch nicht gibt, muss ich es selber schreiben.
Zwischen Einsteigerliteratur und Ratgebern auf der einen Seite und wissenschaftlicher Fachliteratur auf der anderen Seite klafft ein beträchtlicher Spalt. Es fehlt Hobby-Literatur für den fortgeschrittenen Anfänger. Für diese Informationslücke habe ich die Reihe „Mythen & Marketing in der Aquaristik“ geschrieben.

Ziel

Wer erklärt mir als Hobby-Aquarianer und Natur-Interessiertem die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Hobbys,

  • wenn ich nicht Biologie/Ökologie/Chemie/Physik studieren will.
  • wenn ich keinen Wissenschaftler im Verein kenne.
  • wenn ich bereits die Einsteigerliteratur gelesen habe.
  • wenn mein Wissen über das Aquarium hauptsächlich von JBL (unterhält einen umfangreichen Blog) stammt?

Problem

Das Marketing der Aquaristik-Industrie, von der Produktbeschreibung über Werbung bis zu Ratgebern (Content Marketing) ist weder objektiv noch wissenschaftlich fundiert. Denn es will verkaufen und Umsatz machen. Nicht nur Aquarianer lassen sich von Marketing-Leuten Produkte aufschwatzen, die sie nur rudimentär verstehen, wenn überhaupt.

Einzelne Marken (z. B. von JBL, sera, Tetra, Microbe-Lift/Arka, Seachem, Easy-Life u.v.a.) schaffen einen Produktkosmos zum Zwecke der Markenbindung. Da sie die höheren Werbe-Budgets haben, werden ihre Geschichten, Mythen und Marketing-Sprüche in Shops, YouTube-Videos, auf Produkt-Sites und Ratgeber-Foren gesehen, gehört und irgendwann geglaubt. Als Marken-Fan ist man schnell wie in einer Sekte gefangen. (Sprich mal mit einem iPhone-Besitzer oder einem Aquascaper!) Dann gaukeln uns die Marken vor, wie die Welt der Aquaristik sei oder zu sein hätte, anstatt dass WIR ihnen erklären, wie unser Hobby funktioniert.

“Belief Perseverance” – Faktenresistenz

The “Belief Perseverance Effect” (Faktenresistenz) says that

„if someone buys something under a certain belief, and especially if someone pays a lot of money for that something, even when presented with evidence they made their purchase in error, a normal person will rationalize and support their own decision. There is no point in trying to use logic or science to change such a person’s mind.“ (by David Bogert)

M&M sind nicht bloß andere Meinungen oder Ansichten, sondern Fehler, Anekdoten, Missverständnisse und Irrtümer oder Werbeversprechen, die sich um einen wahren Kern ranken und den Wahrheitsanspruch stellen. Sie wollen geglaubt werden, auch wenn die Fakten gegen sie sprechen.

Lösung

Mythen & Marketing in der Aquaristik haben einen wahren Kern. Dieser wird im „Faktencheck“ freigelegt. Das Mythische wird den Fakten gegenüber gestellt. Wissenschaftsbasiertes Wissen wird im Kontext des Hobbys erklärt oder seine Relevanz für das Hobby sichtbar gemacht. Zitate dokumentieren die Standpunkte von Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Hobby. Mit den Quellenangaben erhält der kritische Leser zudem ein umfassendes Verzeichnis von für das Hobby relevanten Autoren, Büchern, Artikeln und Websites, die zum selber Recherchieren und Nachlesen einladen. Auf dass wir aus dem Hobby auch etwas fürs Leben lernen!

Die Serie soll auch ein Plädoyer für Bücher sein. Bücher, im Gegensatz zu Internetmedien, enthalten mehrfach geprüfte und dauerhaft überprüfbare und verfügbare Inhalte mit Autor und Erscheinungsjahr (Verlag, Lektor, Gutachter etc.). Bücher können in (fast) jeder Bücherei (mit Fernleihe) angefordert werden.

Fragenbasiertes Lernen mit einem Aquarium

Kinder lernen Fragen zu stellen, Antworten kritisch zu hinterfragen, Beobachtungen zu reflektieren, planvoll und verantwortungsbewusst Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zu setzen. Dabei lernen sie wissenschaftliche Prinzipien und Konzepte kennen.

  • Welche Fischart ist meine Lieblingsart und warum?
  • Wie schaut es in den Heimatbiotopen unserer Zierfische aus? In welchem Zustand befinden sie sich (z. B. im Amazonas-Fluss-System)?

Staunen

Ein Aquarium weckt Neugier und erregt Interesse.

Beobachten

Ein Aquarium regt zur Beobachtung an und belohnt mit der Entdeckung exotischer Tiere und deren Verhalten bis hin zum Verstehen eines kleinen, aber komplexen Ökosystems.

Fragen

Wer viele Fragen stellt, wird am Ende das Ökosystem ‚Aquarium‘ besser verstehen. Und nebenbei schafft ein Aquarium Verständnis und Awareness für den Schutz der Umwelt (insbesondere von Regenwäldern und Gewässern). Fragen fördert nicht nur das Wissen, sondern das Verständnis und das kritische Denken. Dabei wird die Fähigkeit zur Analyse und Synthese (zum Verknüpfen von Informationen) gestärkt.

  • Was gibt es in dem Glaskasten zu sehen, der zwar völlig transparent, aber dennoch nicht auf einen Blick zu erfassen ist?
  • Wieviele verschiedene Arten befinden sich im Becken? Lassen sich Muster im Verhalten erkennen (Rivalität, Balz, Fressen, Spielen)?
  • Wodurch unterscheiden sich verschiedene Aquarien? Wie weit hat die Gestaltung mit den Bedürfnissen der Fische (mit ihren Heimatbiotopen) zu tun?

Planen

Aus den Beobachtungen lassen sich weitere Schritte planen wie Füttern, Wasserwechseln, Pflanzenpflege. Dazu sind weitere Informationen erforderlich. Kinder lernen sich besser zu informieren, mit Informationen und Medien umzugehen.

  • Wie recherchiert man zielgerichtet Informationen, um bessere Entscheidungen zu treffen?

Umsetzen

Jede Maßnahme führt zu einem Effekt oder Ergebnis. Kinder üben, ihre Handlungen kritisch zu hinterfragen und lernen über artgerechte Haltung.

  • War das die richtige Maßnahme? Was könnte man beim nächstenmal verbessern?

Fazit

Man kann jedes Tier (am Futterhaus, im Zoo, am Bauernhof, in Wald und Wiese) beobachten und daraus etwas lernen. Tierbeobachtung schärft die Sensibilität für Natur und Umwelt.

„Animal observation builds bigger skills—curiosity, critical thinking, and care for the natural world.“

Quelle der Inspiration

Inquiry-Based Learning. Encouraging Students’ Curiosity With Animal Observations. By Shelby Guthrie, April 28, 2025, Edutopia

„Watching animals—either outdoors or via an online live cam—is an engaging way for students to build their critical thinking skills.“

KI als Ratgeber

Hervorgehoben

Kürzlich hat mich eine KI-Suchmaschine auf der Suche nach Mythen & Marketing zum Wasserwechsel auf eine Website geführt, die mit KI-generierten Texten und Bildern gestaltet wurde.

Bild: Die KI hat noch nicht die Funktion einer Schlauchverbindung verstanden. Da nützen auch Hände mit 7 Fingern nichts.

Der Text klingt aufs erste ganz interessant. Doch wenn man ihn zusammenfassen möchte, bleibt er irgendwie unbestimmt, allgemein, ein Sammelsurium aus Phrasen.

Die Gesundheit Ihres Aquariums und seiner Bewohner wird es Ihnen danken.

Die Häufigkeit des Wortes „Aquarium“ fällt auf. Damit soll die Seite offensichtlich für Suchmaschinen optimiert werden (SEO search engine optimization).

Und hier beginnt das Problem:
Die Marketing-Abteilung produziert Content mit KI-Unterstützung. Die KI unterscheidet nicht zwischen Fakten und Werbung. Sie mischt verschiedene Dokumente statistisch korrekt zusammen. Solche Texte werden anschließend ins WWW gestellt und dienen wiederum als „Lernmaterial“ für den KI-Algorithmus. Die nächste KI-Suchmaschine (z.B. perplexity) gibt den Content-Marketing-Text als Quelle ihrer Antwort aus.

Dadurch bestätigen sich die KI-generierten Texte selbst, indem sie sich immer wieder in neuen Variationen wiederholen. Neue Erkenntnisse darf man sich daraus nicht erwarten.

M&M: „Führen Sie niemals einen zu großen Wasserwechsel auf einmal durch, da dies das biologische Gleichgewicht im Aquarium stören kann. Empfohlen sind Wechsel von 20-30% des Wasservolumens.“

Was bedeutet hier „biologisches Gleichgewicht“?

„Das biologische Gleichgewicht im Aquarium ist ein sensibles System, das durch verschiedene Faktoren beeinträchtigt werden kann. Ein sachgerechter Wasserwechsel ist entscheidend für die Aufrechterhaltung dieses Gleichgewichts.“

Mehr dazu in Band 5 „Mythen & Marketing in der Aquaristik“!

Fakten versus Fiktion

Wissenschaftliche Methoden erfordern ein ständiges Lernen. Um die Lust am Lernen und an Fakten zu fördern, kann es hilfreich sein,

  • den praktischen Nutzen (Relevanz) und die Anwendbarkeit (Bezug zum Alltag) von Wissen deutlich zu machen (z.B. für das Hobby);
  • komplexe Inhalte in einer klaren, allgemeinverständlichen Sprache zu vermitteln, ohne dabei an Genauigkeit zu verlieren;
  • komplexe Sachverhalte zu visualisieren;
  • mit partizipativen Formaten wie Workshops, Citizen-Science-Projekten das Interesse und Eigeninitiative zu wecken; Soziale Medien bieten vielfältige Möglichkeiten sich zu engagieren, aber auch zur Verbreitung von Falschinformationen.

Persönliche Erfahrungsberichte oder historische Anekdoten können trockene Fakten lebendig machen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass keine neuen Mythen in die Welt gesetzt werden. Der Austausch und die gegenseitige Unterstützung können sehr motivierend wirken.

Statt nur Antworten zu präsentieren, sollten auch Fragen aufgeworfen werden, die zum Nachdenken anregen und die natürliche Neugier des Menschen ansprechen. Der Lernprozess sollte so gestaltet sein, dass Erfolgserlebnisse möglich sind. Kleine, erreichbare Ziele und unmittelbares Feedback können die Motivation steigern und das Selbstvertrauen in die eigenen Lernfähigkeiten stärken. Was könnte besser dafür belohnen als ein gut gedeihendes Aquarium!

Schließlich kommt es auf die jeweilige Zielgruppe an, wie die Lust am Verstehen von Fakten gefördert und das Lernen auch für Laien attraktiver gestaltet werden kann.