KI als Ratgeber

Hervorgehoben

Kürzlich hat mich eine KI-Suchmaschine auf der Suche nach Mythen & Marketing zum Wasserwechsel auf eine Website geführt, die mit KI-generierten Texten und Bildern gestaltet wurde.

Bild: Die KI hat noch nicht die Funktion einer Schlauchverbindung verstanden. Da nützen auch Hände mit 7 Fingern nichts.

Der Text klingt aufs erste ganz interessant. Doch wenn man ihn zusammenfassen möchte, bleibt er irgendwie unbestimmt, allgemein, ein Sammelsurium aus Phrasen.

Die Gesundheit Ihres Aquariums und seiner Bewohner wird es Ihnen danken.

Die Häufigkeit des Wortes „Aquarium“ fällt auf. Damit soll die Seite offensichtlich für Suchmaschinen optimiert werden (SEO search engine optimization).

Und hier beginnt das Problem:
Die Marketing-Abteilung produziert Content mit KI-Unterstützung. Die KI unterscheidet nicht zwischen Fakten und Werbung. Sie mischt verschiedene Dokumente statistisch korrekt zusammen. Solche Texte werden anschließend ins WWW gestellt und dienen wiederum als „Lernmaterial“ für den KI-Algorithmus. Die nächste KI-Suchmaschine (z.B. perplexity) gibt den Content-Marketing-Text als Quelle ihrer Antwort aus.

Dadurch bestätigen sich die KI-generierten Texte selbst, indem sie sich immer wieder in neuen Variationen wiederholen. Neue Erkenntnisse darf man sich daraus nicht erwarten.

M&M: „Führen Sie niemals einen zu großen Wasserwechsel auf einmal durch, da dies das biologische Gleichgewicht im Aquarium stören kann. Empfohlen sind Wechsel von 20-30% des Wasservolumens.“

Was bedeutet hier „biologisches Gleichgewicht“?

„Das biologische Gleichgewicht im Aquarium ist ein sensibles System, das durch verschiedene Faktoren beeinträchtigt werden kann. Ein sachgerechter Wasserwechsel ist entscheidend für die Aufrechterhaltung dieses Gleichgewichts.“

Mehr dazu in Band 5 „Mythen & Marketing in der Aquaristik“!

Fakten versus Fiktion

Wissenschaftliche Methoden erfordern ein ständiges Lernen. Um die Lust am Lernen und an Fakten zu fördern, kann es hilfreich sein,

  • den praktischen Nutzen (Relevanz) und die Anwendbarkeit (Bezug zum Alltag) von Wissen deutlich zu machen (z.B. für das Hobby);
  • komplexe Inhalte in einer klaren, allgemeinverständlichen Sprache zu vermitteln, ohne dabei an Genauigkeit zu verlieren;
  • komplexe Sachverhalte zu visualisieren;
  • mit partizipativen Formaten wie Workshops, Citizen-Science-Projekten das Interesse und Eigeninitiative zu wecken; Soziale Medien bieten vielfältige Möglichkeiten sich zu engagieren, aber auch zur Verbreitung von Falschinformationen.

Persönliche Erfahrungsberichte oder historische Anekdoten können trockene Fakten lebendig machen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass keine neuen Mythen in die Welt gesetzt werden. Der Austausch und die gegenseitige Unterstützung können sehr motivierend wirken.

Statt nur Antworten zu präsentieren, sollten auch Fragen aufgeworfen werden, die zum Nachdenken anregen und die natürliche Neugier des Menschen ansprechen. Der Lernprozess sollte so gestaltet sein, dass Erfolgserlebnisse möglich sind. Kleine, erreichbare Ziele und unmittelbares Feedback können die Motivation steigern und das Selbstvertrauen in die eigenen Lernfähigkeiten stärken. Was könnte besser dafür belohnen als ein gut gedeihendes Aquarium!

Schließlich kommt es auf die jeweilige Zielgruppe an, wie die Lust am Verstehen von Fakten gefördert und das Lernen auch für Laien attraktiver gestaltet werden kann.

Glauben versus Verstehen

Mythen beruhen auf Anekdoten, Vermutungen, Hörensagen, Irrtümern und Fehlinterpretationen, Verwechslung von Ursache und Wirkung. Sie alle wollen geglaubt werden. Ihre Glaubwürdigkeit steht und fällt mit dem wahren Kern, um den sie sich ranken.

Wissenschaft beruht nicht auf Glauben, sondern auf Fakten. Fakten müssen nicht geglaubt, sondern verstanden werden. Damit unterscheidet sich die wissenschaftliche Methode grundlegend von anderen Formen der Wissensgewinnung.

Wissenschaftliche Erkenntnisse basieren auf systematischen Beobachtungen und reproduzierbaren Experimenten. Theorien müssen sich in der Praxis bewähren und können jederzeit durch neue Erkenntnisse revidiert oder erweitert werden. Das kann zeitaufwendig und ressourcenintensiv sein und persönliche Anstrengung und Ausdauer erfordern, um komplexe Zusammenhänge zu durchdringen.

Eine selbstkritische Haltung treibt Fortschritt und Innovation an und verhindert das Erstarren in Dogmen und Glaubenssystemen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse werden detailliert dokumentiert und veröffentlicht. Dadurch können sie jederzeit und von jedermann überprüft werden. Dies fördert die Qualität und Objektivität und minimiert den Einfluss persönlicher Meinungen oder von Partikularinteressen.

Ziel der Wissenschaft ist es, die Welt zu verstehen und zu erklären (und unsere Fragen aufzuklären), nicht einfach Behauptungen in den Raum zu stellen. Dieses tiefere Verständnis ermöglicht uns, Phänomene vorherzusagen und gezielt zu beeinflussen oder fundierte Entscheidungen zu treffen und ihre Konsequenzen abzuschätzen.

Damit trägt Wissenschaft zu einer informierten, aufgeklärten und kritisch denkenden Gesellschaft bei. Darüber hinaus steht jedem frei, wider besseren Wissens seinen Glaubenssätzen, Mythen oder Werbeslogans zu frönen.

MYTHOS: „TÜV/GS geprüft“, „CE zertifiziert“ und die DIN 32622

Produktbeschreibungen auf Verpackungen, auf Produkt-Websites, in Online-Shops oder als Printwerbung stellen keine wissenschaftlich-technischen Abhandlungen dar, auch wenn sie sich betont wissenschaftlich präsentieren. Fehlinterpretationen sind folglich unvermeidlich und nicht immer ganz ungewollt. Die Grenze zur Irreführung des Kunden, bewusst oder unbewusst, ist fließend, wie das folgende Beispiel zeigt.

In einer Produktvorstellung der Aquarium-Komplettset-Bestseller für das Jahr 2018 steht zu lesen:

„Natürlich wurde das Becken auch vom TÜV/GS geprüft und hat die DIN 32622 CE Zertifizierung erhalten.“ (Aquarium Ratgeber)

Auch die Aquarienluftpumpe derselben Marke

„ist TÜV/GS geprüft, sowie CE zertifiziert und verfügt über 3 Jahre Garantie.“ (Produktbeschreibung)

Dabei ist folgendes zu bedenken:

  1. Werbung mit Selbstverständlichkeiten wie der CE-Kennzeichnung ist unzulässig.

Gemäß einem Urteil des OLG Frankfurt a.M.ist Werbung mit Aussagen wie „CE-geprüft“ irreführend und unzulässig. Denn die Prüfung wird nicht von einer unabhängigen Stelle durchgeführt. Es handelt sich lediglich um eine Prüfung, die der jeweilige Hersteller durchführt oder in Auftrag gibt und auch selbst bezahlt. Mit dem CE-Zeichen werden Produkte gekennzeichnet, die den geltenden Anforderungen in EU-Richtlinien genügen und in Verkehr gebracht werden dürfen. Die CE-Kennzeichnung ist somit kein Zertifikat einer Prüfstelle und auch kein Hinweis auf gute Produktqualität, sondern nur eine verpflichtende Kennzeichnung des Herstellers oder Importeurs, dass seine Waren EU-konform sind. (CE steht dabei für „Conformité Européenne“.)

  1. Für Werbung mit dem TÜV-Siegel gilt folgendes zu beachten:
  • Es ist immer das konkrete TÜV-Unternehmen anzugeben, das die Zertifizierung vergeben hat.
  • Es ist immer eine Fundstelle anzugeben (mit Verlinkung), unter der die beworbene Zertifizierung sowie die Kriterien des TÜV-Prüfverfahrens eingesehen und nachgeprüft werden können.
  • Es ist anzugeben, worauf sich die TÜV-Prüfung genau bezieht.
  1. Um mit dem GS-Zeichen für „Geprüfte Sicherheit“ werben zu dürfen, wird eine Bescheinigung der GS-Stelle benötigt.

Somit kann die Werbeaussage „TÜV / GS / CE geprüft“ als ungenehmigte Verwendung von Gütesiegeln abgemahnt und folglich als wettbewerbswidrige Irreführung eingestuft werden, wenn sie nicht von den genannten Zusatzinformationen ergänzt wird (vgl. Urteil OLG Dresden vom 11.02.2014).

  1. Die Norm DIN 32622 („Aquarien aus Glas – Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfung“) richtet sich mit sicherheitstechnischen Anforderungen und deren Prüfverfahren an die Hersteller von Glasaquarien im privaten Nutzungsbereich. Dieser hat sich in der Produktion daran als Mindestanforderung zu orientieren. Das wird vom Konsument selbstverständlich erwartet.

MYTHOS: One size fits all.

Oder: „Viel hilft viel.“
Und mehr hilft noch mehr. Dem würde wohl jeder Marketer gerne zustimmen.

So kommt es, dass die Beleuchtung auf Starklichtpflanzen abgestimmt ist, die Filterpumpe selbst für Strömung in einem Riffaquarium genügen würde und der Heizstab für einen Gartenteich konzipiert zu sein scheint.

Von allem das Maximum ist für niemanden das Optimum! Mehr ist nicht immer auch besser.

Für die Wachstumsfaktoren Temperatur und Nährstoffe bestehen Optima, die weder über- noch unterschritten werden sollen. Für andere Faktoren wie Licht, O2 oder CO2 bestehen Sättigungskonzentrationen, über welchen kein zusätzlicher Nutzen mehr besteht. Für wieder andere Stoffe gilt sogar „Die Dosis macht das Gift“.

Nur wer die Kennzahlen und Produktbeschreibungen entschlüsseln kann, kann hinter die Mythen & Marken blicken und eine vernünftige Kaufentscheidung treffen.