Aquaristik — eine Definition

Aquaristik ist im Grunde eine Methodensammlung, um Wasserorganismen außerhalb ihres angestammten Lebensraums in ihrem natürlichen Verhalten beobachten zu können. Die einen betreiben sie als Hobby, andere machen einen Wirtschaftszweig daraus. Nur wenige entwickeln sie auch wissenschaftlich weiter.

Aquaristik als Hobby bewegt sich zwischen Naturwissenschaften und Technik. Doch muss man als  Aquarianer weder Wissenschaftler noch Techniker sein. Wenn ein wissenschaftlich-technisches Grundverständnis fehlt, wird es schwierig, Fakten für die Problemlösung von der Fiktion von Scheinlösungen zu unterscheiden. Die sozialen Medien sind voll damit.

Aquaristik als Wirtschaftszweig unterliegt den Marktgesetzen von Angebot, Nachfrage und Wettbewerb. Ihr Zweck ist auf Gewinn orientiert. Mit Produkt- und Markenwerbung wird die Nachfrage stimuliert, jedoch nicht sachlich-objektiv über Wirkungsweise oder Nebenwirkungen aufgeklärt. Marken bedienen sich gerne bekannter Mythen oder erschaffen neue Mythen.

„It has become increasingly difficult to discern fact from fiction in the rising tide of pseudo-technical jargon, inflated claims, unverified assertions, and inconsequential observations. It is important for the hobbyist to be as informed as he can.“ [1]

„Es wird immer schwieriger, in der steigenden Flut von pseudo-technischem Jargon, überzogenen Ansprüchen, ungeprüften Behauptungen und irrelevanten Beobachtungen Fakten von Fiktion zu unterscheiden. Es ist wichtig für den Hobbyisten, so gut informiert zu sein, wie er kann.“


[1] Leo Morin (Seachem Laboratories) in: The Art & Science of Aquarium Management. (Mitte 1990er). https://www.seachem.com/downloads/articles/The-Art-&-Science-of-Aquarium-Management.pdf (zuletzt gesehen 2024-03)

Warum wir noch immer Bücher lesen

Das Internet dient als Vermittler für Information, Unterhaltung und der gratis Zwischenform „Werbung“. Damit erweist es sich als unerschöpfliche Quelle von Wissen, aber auch von Halbwahrheiten, Unsinn und manipulativer Desinformation.

In den Social Media verschwimmen Meinungen, Expertise, Glaube und bewusste Irreführung. Jede Meinung ist vertreten. Externe Qualitätssicherung auf Richtigkeit, Zuverlässigkeit, Aktualität etc. wie in editierten Medien gibt es nicht. Damit wird Falschmeldungen, Desinformation, Mythen aller Art (Urban Myths) Tür und Tor geöffnet. Auch das Marketing mit seinen Werbeversprechen hat diese Kanäle für sich entdeckt.

Erste Ansätze der Qualitäts-Selbstkontrolle bilden Upload-Filter, die Urheberrechtsverletzungen erkennen sollen. Für „Hass im Netz“ werden nun auch die Betreiber der Plattformen verantwortlich gemacht, weil sie die Postings immerhin ermöglichen. Die Grenze zur Zensur kann nicht immer scharf gezogen werden. Die Qualitätskontrolle obliegt letztlich jedem Leser selbst.

Das gedruckte, editierte und lektorierte Buch erscheint mir immer noch als bestes Format, auch komplexe Zusammenhänge ausführlich zu erklären. Wer sich auf das Buch einlässt, wird sein Verständnis für die Anliegen des Buches erweitern und vertiefen. Eben dieses Verständnis lässt sich mit Web- und Werbeseiten oder mit Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln nur beschränkt oder gar nicht erreichen.

Alltagsmythen in der Aquaristik – eine Definition

Als Hobby-Aquarianer und Naturwissenschaftler interessieren mich Alltagsmythen aus der Aquaristik. Was davon lässt sich überprüfen (der wahre Kern) und was ist erfunden? Wozu wurden sie erfunden? Oft liegen Wahrheit und Dichtung so dicht nebeneinander, dass man den Mythos bei oberflächlicher Betrachtung für wahr hält.

DEFINITION

Unter Alltagsmythen verstehen wir Erzählungen, die auf einem wahren, faktischen Kern aufbauen, dem jedoch phantasievolle oder subjektive Interpretationen angedichtet wurden.

Der wahre Kern eines Alltagsmythos kann z.B. die funktionalen Eigenschaften eines Produktes umfassen oder sich auf dessen chemisch-physikalische Eigenschaften beziehen, die messbar sind.

Bei den Erzählungen rund um den Kern handelt es sich dagegen um unbewiesene Behauptungen, Erklärungen, Anekdoten, gut gemeinte Empfehlungen und Ratschläge oder auch um Werbeversprechen von Produktmarken. Sie sollen dem ursprünglichen Produkt oder Sachverhalt eine neue Bedeutung verleihen, um sie verständlicher oder im Wettbewerb einzigartig erscheinen zu lassen. Diese „Interpretationen“ sind nicht bloß erlogen, sondern spiegeln Werte, Einstellungen und Wünsche wider. Sie erfolgen aus Unwissen, aus einem Missverständnis oder Unverständnis eines Sachverhalts, aber auch aus Geschäftssinn und Eigeninteresse.

Das Problem

Alltagsmythen müssen glaubwürdig sein, denn sie müssen geglaubt werden. Mit ihrem (Heils-)Versprechen gleichen sie Produktmarken aus der Werbung. Beide versprechen ihren Anhängern Handlungsorientierung, also Anleitungen und Problemlösungen. Auf diese Weise ergeben die zuvor unverständlichen („wissenschaftlichen“) Fakten oder technischen Produkte plötzlich einen Sinn oder Nutzen, der auch von wissenschaftlich-technisch ungebildeten Laien leicht erfasst werden kann. Daraus erklärt sich ihre Beliebtheit und weite Verbreitung und warum sie so schwer aus der Welt zu schaffen sind.

Mythen und Fakten werden von unaufgeklärten Zeitgenossen als zumindest gleichwertige Alternativen betrachtet. Nicht selten halten sie an den Mythen entegegen besseren Wissens fest, da sie ihren Emotionen, Gewohnheiten und Bequemlichkeiten besser entsprechen und diese vielleicht sogar unterstützen oder zumindest keiner weiteren Erklärung (Denkarbeit) bedürfen. Es erfordert somit ein Bedürfnis nach Aufklärung, um sein Wissen (nicht nur für das Hobby) erweitern zu wollen.

Die Lösung

Aus wissenschaftlicher Sicht müssen Mythen aufgeklärt werden, um falsche Entscheidungen zu verhindern, sei es als Konsument von Produkten und Dienstleistungen (unter ihren jeweiligen „Markennamen“) oder als verantwortungsvoller Bürger. Dazu muss der wahre Kern aus seiner Erzählung herausgeschält werden. Manchmal gelingt es, seinen ursprünglichen Kontext transparent zu machen und zu zeigen, wo oder wie es zur Mythenbildung gekommen ist.

Content-Marketing – Gratis-Ratgeber oder Mythenschleuder?

Definition

Im Content-Marketing werden Inhalte (Content) erzeugt, mit denen die Zielgruppe eher angesprochen werden kann als mit klassischer Werbung. Beliebte Formate sind „Ratgeber“ in Form von Videos, Podcasts, User-Gruppen (User-generated Content) oder Blogs.

Inhalte / Content

Mit objektiver, fundierter Beratung haben solche Inhalte allerdings nicht viel gemein. Sie sind oft trivial oder nicht auf dem neuesten Stand. Mangelnder Sachverstand scheint nur all zu oft und all zu deutlich durch die perfekte Rhetorik.

Dabei werden frei zugängliche Inhalte des Internet von den Bloggern oder Influencern zusammenkopiert, verkürzt, verfälscht und mit ihren Werbebotschaften vermischt. Wenig überraschend wiederholen die Autoren gerne jene Inhalte, die ihresgleichen in Umlauf gebracht haben oder zitieren sich wechselseitig und verlinken auf „befreundete“ Seiten, um Suchmaschinen über die Relevanz der Seiten zu täuschen. Zugleich verleiht Wiederholung einer Erzählung mehr Glaubwürdigkeit („Woozle-Effekt„). Damit sind alle Zutaten zur Mythenbildung gegeben. Zwischen den Zeilen oder auch ganz offen wird für bestimmte Marken geworben und wenn möglich auch gleich auf den eigenen Online-Shop verlinkt.

Moderne Mythen können ohne großen Aufwand immer wieder neu erzählt werden, werden gerne gelesen und geglaubt, nicht nur von Einsteigern. Bei genauerer Betrachtung finden sich viele Gemeinsamkeiten zwischen Mythen und Marken aus der Werbung. Daher verwundert es nicht, dass Werbung die Quelle vieler moderner Mythen bildet.

Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ gehen manche Marketing-Blogs selber auf Mythenjagd:

BEISPIEL: „Die JBL Praktikanten – JBL Aqua-Myths
Mit der Aufforderung „Schreibt uns eure Mythen in die Kommentare…“ werden nicht nur Mythen, sondern vor allem Kontaktdaten gesammelt.

BEISPIEL: „my-fish.org
„… sende uns deinen Mythos ein!“

Autoren

Die Autoren der Contents versuchen mitunter den Eindruck zu erwecken, hier würden Experten großzügig ihr eigenes Wissen teilen und gratis Ratschläge erteilen. Daher sollte man bei Online-Ratgebern zuerst einen Blick ins Impressum (nur in Europa verpflichtend) werfen und sich über den Autor und sein Geschäftsmodell informieren. Will man sich über den Autor näher informieren, hilft meist bereits eine Google-Suche weiter.

BEISPIEL: Die Website aquarium-wasser.de  gehört laut Impressum der Reblu GmbH. Erst mit einer Google-Recherche erfährt man, dass die Reblu GmbH neben dieser aquaristischen Seite mehrere „Informations-Sites“ (web domains) und Online-Shops unterhält. Sie ist nach Einschätzung von „Creditreform“ ein Unternehmen für „Einzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln“ mit weiteren Geschäftsfeldern. Eine besondere Expertise in der Aquaristik kann jedoch nicht identifiziert werden.

Ziel und Zweck solcher Ratgeber ist es, potentielle Käufer anzulocken und Vermittler-Honorare zu lukrieren, z.B. mit jedem Klick auf einen Hyperlink, der zu Amazon führt.

Auch Marketingabteilungen bekannter Unternehmen oder Organisationen bieten Ratgeber an, die Inhalte mit Werbung für die eigenen Produkte verbinden. In der Regel ist für erwachsene Leser klar ersichtlich, dass es sich hierbei primär um eine Marketing-Aktivität des Unternehmens handelt und deren Inhalte entsprechend bewertet werden müssen.

BEISPIEL:Das Online-Marketing der Firma JBL betreibt einen eigenen Blog als Ratgeber. Hier ist klar, dass wir uns auf der Website eines kommerziellen Unternehmens befinden.

BEISPIEL: „my-fish.org“ ist ein interaktives Internetportal der Wirtschaftsgemeinschaft Zoologischer Fachbetriebe GmbH (WZF) und präsentiert sich als „firmenneutraler“ aquaristischer Ratgeber besonders für Kinder und Jugendliche.

Andere Webseitenbetreiber grenzen ihre Contents deutlich von der Werbung (z.B. Banner-Werbung, Affiliate Links) ab.

BEISPIEL: „drta-archiv.de
Als inhaltlich Verantwortlicher zeichnet Dennis Kottmann. Über ihn weiß Google, dass er ein Experte für Online-Marketing ist. Darüber hinaus beschäftigt er sich auch tatsächlich mit Aquaristik.

Werbefinanzierte Web-Seiten sind nicht a priori fehlerhaft oder unseriös. Problematisch wird es erst, wenn die Werbebotschaften als Praktikerwissen dargestellt werden und sich dann als moderne Mythen im Internet verselbständigen.

Gute wissenschaftliche Praxis

Wissenschaftliche Fachpublikationen geben immer den Namen des oder der Autoren an. Fremde Ideen oder Theorien müssen korrekt zitiert werden, sodass man jederzeit (z.B. mit Hilfe einer Bibliothek) den Originaltext nachlesen kann und um Plagiarismus zu vermeiden. Unbegründete Behauptungen, anekdotische Beweise oder Verlinkung auf unseriöse Inhalte werden tunlichst vermieden. Um die Qualität der Inhalte zu sichern, werden diese zumindest redaktionell geprüft oder sogar extern begutachtet. Je nach dem, lässt auch das Medium auf die Qualität der Inhalte rückschließen.

Im Gegensatz dazu wird Werbe-Content nicht redaktionell geprüft, sondern gegen Bezahlung publiziert, wie vom Auftraggeber gewünscht. Bezahlte Artikel sollten daher als Werbung ausgewiesen werden. Wo dies nicht der Fall ist, sind meist Mythen nicht weit… (vgl. unseren Blog-Entrag: „Mythen und Werbung„).